Schon seit geraumer Weile bin ich auf der Suche nach der eierlegenden Wollmilchsau unter den MTB Reifen für den Marathoneinsatz. Das dies kein einfaches Unterfangen ist, das liegt auf der Hand. Was gut rollt, kann in der Regel eher weniger mit gutem Grip punkten; was leicht ist, muss bei der Pannensicherheit Federn lassen. Hinzu kommt, dass ich die Reifen das ganze Jahr über bei allen Wetterbedingungen fahren möchte, was weitere Kompromissbereitschaft bedeutet.
Lange Zeit war ich auf den X King von Conti unterwegs. Gefahren bin ich sie in einer 2,25er Breite und noch mit Schlauch bei 2,2 Bar Druck. Begeistern konnten sie mich durch eine sehr hohe Eigendämpfung und hervorragende Rolleigenschaften, wobei dies natürlich immer Eindrücke subjektiver Natur sind. Vermisst habe ich stets etwas den nötigen Grip am Vorderrad. Nachdem ich zudem immer wieder Schäden an der Karkasse hatte, was laut Conti an der Unterschreitung des (für den MTB Sport aus meiner Sicht utopisch hohen) Minimaldrucks von 3 Bar lag, habe ich die X King aussortiert.
Zuletzt war ich nun, auch weil werkseitig am Bike montiert, auf Schwalbes Kombination von Racing Ralph/RacingRay unterwegs. Etwas weniger Eigendämpfung und auch schwächer im Bezug auf die Rolleigenschaften, vermeldete mein Popometer. Zwar etwas traktionsstärker - besonder bei matschigeren Bedingungen - nervten die Reifen mich mit eiernden Karkassen und permanenten Durchstichen. Gefahren bin ich die Reifen schlauchlos in der 2,35er Breite mit hinten 1,8 und vorne 1,6 Bar.
Schon einige Zeit liebäugelte ich mit Wolfpack; einer Marke, die noch verhältnismäßig jung ist, allerdings geballte Fachkompetenz inne hat. Kein Geringerer als Wolfgang Arenz, der zuvor bei Conti und Schwalbe für die genialen Gummimischungen zuständig war, vertreibt nun seine eigenen Reifen.
Ein Einzelkämpfer der den Schneid hat, den ganz Großen der Branche die Stirn zu bieten; dazu ein mit rund 40 € sehr attraktiver Preis, was will man mehr? Zudem las ich in Testberichten ebenfalls gute Bewertungen, und Daniel Bürgin - 2023 immerhin Sieger beim 24 h Rennen in Osnabrück - findet sowohl in seinem Interview mit Wolgang Arenz, als auch einem Testbericht ebenfalls keinen Anlass zur Kritik.
Lange war ich unschlüssig, für welches Model ich mich entscheiden soll. Die Angaben auf der Homepage waren mir insgesamt zu widersprüchlich, zu schwammig und zu undefiniert. Soll es nun der Cross am Vorderrad mit dem Race hinten werden? Oder beide Laufräder mit dem Race bestücken? Fahre ich mit dem Race vorn und dem Speed hinten besser? Oder ist die Kombination Speed/Speed für mich die ideale Lösung?
Ich zögerte und zögerte, und solange meine Schwalbe noch halten, ist ja schließlich auch alles gut, oder? Ein Irrtum sondergleichen! Nur wenige Tage vor dem Cadfish Gravel, dem Ultradistanz-Wahnsinn des RST Lübeck, verabschiedete sich eine Salami aus dem bereits mehrfach gestopften Racing Ralph.
Um bei Wolfpack im Shop zu bestellen, erschien mir das Zeitfenster zu klein. Ich befürchtete, dass die Bestellung erst bearbeitet, die Zahlung dann zunächst verbucht, der Reifen aus dem Lager geholt, versandfertig gemacht und vom Versanddienstleister abgeholt werden muss, und mich demenstsprechend nicht mehr rechtzeitig erreichen würde.
Über Vitamin B gelang es, jemanden aufzutreiben, der mir einen nagelneuen Wolfpack, einen Race in 2,4er Breite, verkaufte und ihn umgehend zur Post brachte. Die Wahl des Profils war somit vom Schicksal entschieden. Unglücklich war ich damit nicht. Sollte mir der Race am HR zu bissig und der Rollwiderstand zu hoch sein, bliebe mir ja die Option ihn später vorne zu montieren und für das Hinterrad den Speed nachzubestellen.
Als der Reifen eintraff, war ich angesichts der Verabeitung etwas enttäuscht. Im Bereich der Mittelstollen finden sich Gummireste, als sei der Reifen nicht sauber aus seiner Form geschnitten worden. So etwas kennt man sonst allenfalls von billigen Drahtreifen aus dem Baumarkt.
Bei der Montage stand ich dann unmittelbar vor einem Tobsuchtsanfall. Trotz Druckluftkompressor gelang es zwei erfahrenen Hobbyschraubern nicht, die Reifenwulst in das 25 mm breite Felgenbett springen zu lassen. Fast eine Stunde werkelten und fluchten wir, versuchten sogar mit einem Spanngurt den Reifen so auf die Felge zu drücken, dass die Luft nicht weiterhin einfach wieder seitlich ausströmte, bis es uns endlich gelang und der Reifen abdichtete.
Bei 3 Bar Druck setzte sich der Reifen dann auch endgültig ins Felgenbett und lief zu meiner Freude deutlich runder, als ich es von meinen Schwalbe gewohnt bin.
Mit 70 statt der empfohlenen 40 ml Dichtmilch versehen, und mit 2 Bar finalem Luftdruck, ging es dann auch unmittelbar auf die erste Testfahrt - immerhin satte 345 Km am Stück.
Mein erster Eindruck schon nach wenigen Metern: Spürbar weniger Eigendämpfung als Racing Ralph und bretthart im Vergleich zum X King.
Phänomenal ist die Selbstreinigung des Reifens. Selbst bei geringem Tempo sind die Stollen schnell wieder frei. Während der Racing Ray am Vorderrad völlig zugeschlammt umherschmierte, biss der Race sich ordentlich fest. Denn Grip hat der Race, dank offener Stollenanordnung, wie die Sau - das ist wirklich brutal. Derart viel Traktion braucht es für CC und Marathon eigentlich nicht, oder allenfalls bei ganz miesem Wetter. Folglich beschließe ich, den Race tatsächlich später nur vorne zu fahren.In Sachen Rollwiderstand sagt mir mein Popometer: Exorbitant hoch - besonders auf Asphalt!
Während meiner ersten Testfahrt beschlich mich das ungute Gefühl, Druckverlust am Race zu haben.
Das bestätigte sich nach einigen Tagen, als das Rad im Schuppen mit 1,2 Bar beinahe auf der Felge stand. Mit dem erlaubten Maximaldruck von 3,5 Bar wanderte das Laufrad umgehend ins Wasserbad. Ventil, Speichenlöcher, Felgenhorn - augenscheinlich alles dicht. Auch aus der Lauffläche stiegen keine Luftblasen auf, was einen Durchstich ausschließen dürfte.
Mit 1,8 bar ging es am Samstag daher auf eine erneute, diesmal 55 km lange Testrunde, bei der ebenfalls deutlicher Druckverlust feststellbar war. Noch während der Tour zückte ich das Handy und schrieb Wolfgang Arenz, dass ich den vielen positiven Bewertungen auf seiner Seite leider nicht beipflichten kann und vom Race eher enttäuscht bin.
Ich weiß nicht genau, was ich erwartet hatte. Eine Erklärung vielleicht? Den Versuch einem Kunden bei einem Problem Hilfestellung zu geben möglicherweise? In jedem Fall hätte ich gedacht, dass Arenz sich bezüglich der unsauberen Fertigung ein paar Bilder wurde schicken lassen wollen.
Als Antwort bekam ich, erstaunlichwerweise bereits am Sonntag, einen Dank für mein Feedback und den Hinweis, dass Wolfgang es sehr schade fände, dass mir der Reifen nicht gefällt, der Race allerdings der meistverkaufte Reifen sei, und sich zudem ein Franzose soeben 4 weitere Reifen nachbestellt hätte.
Abschließend merkt Wolfgang an, dass ich den Reifen nicht in seinem Shop gekauft habe und dies sehr schade sei.
Schallender kann man eine verbale Ohrfeige wohl kaum verteilen, und deutlicher kaum klarstellen, dass einem Probleme mit den eigenen Produkten absolut egal sind.
Ich kann es mir daher nicht verkneifen, dem Wolfgang mitzuteilen, wie arg enttäuscht ich auch von seiner Haltung und seiner Reaktion bin.
Die zweite Ohrfeige lässt nicht lange auf sich warten:
Es könne ja sein, dass mir der Reifen nicht gefällt, er wäre so schnell wie Addix rot und hätte mehr Grip als Addix blau, wäre normalerweise gut zu montieren und oft auch ohne Milch dicht.
Ein Reifen könne eben nur 80 Prozent der Käuferwünsche erfüllen und dann passe es eben mit mir nicht, schreibt Wolfgang.
Geht´s noch? Kein Wort bezüglich der Verarbeitungsqualität, keines bezüglich des Luftverlustes, der augenscheinlich ja nur schleichend über die Karkase stattfinden kann. Und inwieweit fühle ich mich als Käufer ernstgenommen, wenn ein Reifen sich kaum montieren lässt, der Hersteller darauf mit "normalerweise ist er gut zu montieren" antwortet?
Richtig - gar nicht!! Ebensogut hätte Arenz "Interessiert mich nicht", "Kundenservice hab ich nicht nötig" oder mit einem einfachen "Leck mich am Arsch" antworten können.
Normalerweise enden Testberichte mit einem Fazit - diesmal nicht. Diesmal darf der Leser sein Fazit selber ziehen.
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