Ins kalte Wasser geworfen...

... wurde ich beim 24 h Rennen in Duisburg gleich zweifach. Zum Einen regnete es sintflutartig, zum Anderen fuhr ich das Rennen völlig unerwartet mit.



Wie immer, wenn es zu Radsportveranstaltungen geht, packe ich meine Sachen erst in letzter Minute und in Eile. Irgendwas kommt mir immer dazwischen und lässt mich eine rechtzeitige Vorbereitung versäumen. So auch dieses Mal. In der Firma häuft sich derzeit die Arbeit und ich hab alle Hände voll zu tun. Darüber vergesse ich an diesem Freitag mal wieder rechtzeitig Feierabend zu machen und komme viel zu spät und mit brennenden Reifen bei Jan zu Hause an. Thorsten und er warten schon auf mich, nehmen meine Verspätung glücklicherweise aber mit Humor. Einen freundschaftlich neckischen Vergleich mit Helmut kann Jan sich aber nicht verkneifen.

Wir verladen meine Sachen in den VW Bus, in dem für meine Klamotten und das Werkzeug kaum noch Platz ist. Doch es muss alles mit, denn ich habe in Duisburg eine Mission. Ich soll das Team nach besten Kräften unterstützen, anfeuern, motivieren und loben, kochen und Klamotten trocknen, Rundenzeiten festhalten und für reibungslosen Fahrerwechsel sorgen. Naja, Mädchen für alles eben. Hauptsächlich betrifft dies aber auch die Instandhaltung der Räder. Und da muss einiges an Werkzeug mit.

Von der Fahrt nach Duisburg bekomme ich wenig mit. Die monotone Fahrt macht schnell schläfrig und ich wache erst auf, als ich pullern muss. Als die Blase geleert und der Nikotinspiegel wieder auf erträgliches Maß gebracht ist, geht die Fahrt weiter. Nicht ohne nochmal über den Porschefahrer zu lachen, der uns am Rastplatz offenbar beweisen wollte, dass sein Auto auch rückwärts fahren kann. Warum sonst fährt man zur Ausfahrt, von dort zurück und dann doch auf die Autobahn? Als wir die AB wieder befahren, zeigt mir ein Schild, dass es nur noch 120 km bis zum Ziel sein werden.

Jan knipst Bilder wie ein Weltmeister (weil der Helmut doch nicht nur Bilder vom Rennen sehen soll) und Thorsten dirigiert seinen Bus mit der Ruhe und Gelassenheit eines alten Postkutschers über die Bahn, bis wir den Landschaftspark Nord in Duisburg erreicht haben. Ich bin überwältigt von der Größe des Areals und den Ausmaßen der Schmelzöfen. Und überall tobt das Leben. Zelte, Wohnmobile, Autos und Fußgänger ohne Ende. Wo man auch guckt, wuseln die Menschen um einen herum. Doch die Ordner und Einweiser sind Profis auf ihrem Gebiet. Sie behalten die Ruhe und den Überblick. Hektik oder Chaos gibt es hier nicht.

Das Fahrerlager ist in Blöcke unterteilt. Unseren finden wir nicht und fragen nach. Unser Zeltplatz ist bereits belegt, erzählt der extrem sympathische, langhaarige Ordner. Er wirkt dabei weder gestresst, noch überfordert. Er stellt uns einen alternativen Platz zur Verfügung. Goldrichtig, wie sich später herausstellte. War es doch einer der wenigen, die Sonntag nicht unter Wasser stehen sollten. Zunächst jedoch machen wir Bekanntschaft mit unseren Nachbarn, den Eggerländern, die bis in die Nacht so lautstark sind, dass wir zweifeln, ob sie nicht besser nach Wacken gefahren wären. Allesamt aber nette Typen, die uns sogar einen Platz zum Schrauben in ihrem LKW anbieten. Wir können diesen lustigen Gesellen, trotz des Lärms, keinesfalls böse sein.

Wir bauen gemeinsam Jan´s Zelt auf. Viel zu tun gibt es hier für Thorsten und mich nicht. Denn wie es aufgebaut wird, erklärt Jan zwar, tut dies aber während er es quasi selbst aufstellt. Auch das Funktionsprinzip seines Kochers, auf den selbst Reinhold Messner neidisch gewesen wäre, erklärt er, während er die Nudeln kocht.

Ich habe ein wenig ein schlechtes Gewissen. Es sollte doch meine Aufgabe sein, das Team zu versorgen. Nun sitze ich quasi tatenlos herum. Mein Ego ist erst befriedigt, als ich dann auch eine Ration Nudeln gekocht und unter uns aufgeteilt habe. Wie drei alte Landser sitzen wir unter freiem Himmel und verputzen unser einfaches Mal.

Mit Jan besteige ich an diesem Abend auch noch den Hochofen. Wobei Jan, der sich mit Stahl und dessen Herstellung auskennt, einen einwandfreien Fremdenführer abgibt und mir so manches Wissenswertes dazu erzählen kann. Nach einem Abendspaziergang mit Streckenteilbesichtigung gehen wir schlafen. Unsere Nachbarn leider noch lange nicht. Irgendwann übermannt mich aber doch der Schlaf. Und als ich am Morgen erwache, stelle ich fest, dass ich auf der von Thorsten geliehenen Luftmatratze sehr gut geschlafen habe. Gut gelaunt trollen wir drei uns zum Frühstücksbuffet, dessen Bezahlung großzügigerweise Jan übernimmt. Vielen Dank nochmal an dieser Stelle.

Bald treffen auch unsere weiteren Fahrer Sascha und Werner ein. Nun habe ich zu Thorsten mir noch zwei weitere Namen und Gesichter zu merken. Denn nur den Jan kenne ich schon etwas länger, seit er sich kurzfristig in unsere Bargteheider Forumstour vor zwei Jahren einklinkte. Unser zusammengewürfelter Haufen harmoniert aber von der ersten Minute an perfekt. Alle sind mir auf Anhieb sympathisch. Nach kurzem „Hallo“ und „Who is who?“ treten unsere vier Fahrer zu einer Streckenprobe in die Pedale.

``Scheiß Loveparade. Alles was Spaß macht, haben sie rausgenommen, damit ja nix passiert´´, ist Jans Fazit, als sie zurückkommen. ``Die Strecke ist nicht schwer. Berge hat´s keine, nicht mal Hügel´´, ergänzt Sascha.

Als das Rennen gestartet ist, schlendere ich über das Gelände. Zu tun gibt es derzeit für mich nichts. Sollte ein Defekt auftreten, bin ich übers Handy erreichbar und wäre in kürzester Zeit zurück. So gucke ich mir den Streckenverlauf an. Mir ist es wichtig die Strecke zu kennen, damit bei beispielsweise einem Platten, der Fahrer nicht erst bis in die Wechselzone laufen muss, nur weil ich ihn auf der Strecke nicht finden kann. Hier der Link zur Strecke: Link

So einfach, wie beschrieben, empfinde ich die Strecke nicht, dafür aber äußerst reizvoll. Ich ärgere mich, denn einen Startplatz im Team hatte Jan ursprünglich mir angeboten. Ich hatte ihn ausgeschlagen, da unser Leistungsunterschied doch enorm ist und ich ihn nicht behindern wollte.

Sei es drum. Zumindest diese geile Location, von der ich schon viel gelesen hatte, bekomme ich einmal real zu Gesicht. Heute ist es noch trocken und extrem warm. Es staubt wie Hölle und durch die Verbrennungsrückstände eines Hochofens zu fahren, diesen Staub zu atmen ist sicherlich nicht sehr gesund. Doch darüber denkt derzeit niemand nach. Die Hatz nach Runden ist im vollen Gange. Auf der Strecke ist den ganzen Tag über viel los. Dicht an Dicht preschen die Fahrer über den Kurs. Das Drumherum kann sich ebenfalls sehen lassen. Reichlich Zuschauer genießen neben dem tollen Wetter und dem Rennen, dessen Streckenverlauf an fast allen Stellen auch für Zuschauer zugänglich ist, auch die Ausstellermeile im Startbereich.

Ich kehre zu unserem Zeltplatz zurück und langweile mich ein wenig. Gegen Abend dann der Schock, als Sascha mit einer tiefen und stark blutenden Wunde am Knie erscheint. Er muss ins Krankenhaus und wird genäht. Als uns die Nachricht erreicht, dass er nicht weiterfahren kann, greifen wir in die Trickkiste und nutzen eine Lücke im Rennreglement sowie in der Sportordnung des BDR (4.1.2)

Das Reglement verweist neben den genannten Rennbestimmungen auf die Sportordnung. Diese wiederum auf das Reglement des Veranstalters. Wir nutzen also diese Grauzone und setzen mich als Ersatzfahrer ein. Denn nirgends steht geschrieben, dass dies ausdrücklich nicht erlaubt ist. Im Grunde ist es auch egal, denn ob man den 50. oder den 40. Platz belegt, spielt auch keine Rolle. Ganz vorne mitfahren können ohnehin nur die namhaften Fahrer wie Regina Merunde & Co. Wir fahren eh nur um die goldene Ananas, wie alle die sich nicht zu den Top Ten zählen können auch. So ziehe ich mir die zu engen Klamotten von Sascha und dessen viel zu großen Radschuhe an. Wenigstens der Helm passt. Das Schaltauge von Saschas Rad ist völlig verbogen nach dem Sturz. Mit der WaPu wirds grob gerichtet. Die Schaltung läuft nicht ganz sauber, aber ich kriege alle Gänge rein.

Ab geht es auf die Strecke. Ich will sie wenigstens einmal gefahren sein, bevor die Dunkelheit einbricht. Saschas Rad ist gut. Ein Focus Hardtail, das ungewohnt steif und schnell ist. Aber die Bremse ist mies. Vorne ohne Druckpunkt, hinten ohne Belag. Aber Bremsen will ich ohnehin nicht. Ich bin meinen Teamkollegen körperlich weit unterlegen, da muss ich Gas geben. Dennoch bleibe ich mit meiner Rundenzeit nur knapp unter 20 Minuten bei 6,8 Km.

Nach dieser ersten Runde wird gewechselt. Gut so, denn ich bin schon platt. Die Anderen fahren zwei Runden. Dann bin ich wieder an der Reihe. Meine zweite Runde läuft dann auch schon ganz gut. Es ist bereits dunkel und beginnt zu regnen, als ich wieder dran bin und zu meiner dritten Runde starte. Die Strecke lässt sich nun besser fahren. Der lose Staub beginnt sich zu binden, die Reifen haben mehr Grip. Die Dunkelheit bereitet mir erstaunlicherweise weniger Probleme, als erwartet. Saschas Lampe ist sauhell und schneidet wahre Löcher in das Dunkel. Ich komme gut voran und fahre eine etwas schnellere Runde.

In der Wechselzone wartet leider keiner meiner Teamkollegen. Werner liegt flach, Jan will einspringen, kommt aber zu spät, erfahre ich hinterher. So laufe ich durch die Wechseltzone und starte mit reichlich Ärger über den verpatzten Wechsel erneut durch. Der Zorn hilft mir auch die vierte Runde zu überstehen. Ich erreiche mit brennenden Beinen erneut die Wechselzone. "Was machst Du, wenn wieder keiner da ist? Wenn alle im Zelt liegen und pennen.", schießt es mir durch den Kopf. Da sehe ich eine gelbe Sonnenblume am Helm. Gott sei Dank. Jan hat mich nicht vergessen.

"Wo bleibst Du so lange?" fragt er. "Zweite Runde!...Werner??", japse ich nach Luft ringend. "Werner liegt flach." ruft Jan mir zu, da ist er schon wieder auf der Strecke. Ich lege mich ein wenig zur Ruhe und verpasse die Pastaparty. Mit knurrendem Magen liege ich im Schlafsack auf der bloßen Erde und schlafe. Jan fährt derweil 6 Runden am Stück.

Später bin auch nocheinmal an der Reihe. Ich schaffe jedoch gerade mal zwei Runden am Stück. Insgesamt fahre ich in diesem Rennen sechs Runden, mit für das Team nicht sonderlich guten, aber konstanten rund 19 Minuten. Für meinen Trainingsrückstand beachtlich, im Vergleich zu den anderen aber erbärmlich. Dennoch gibt es kein Gemecker und Gemurre. Im Gegenteil. Aufmunternde Worte bekomme ich von jedem. Jeder ist froh, dass ich durch meine Anwesenheit zumindest die Wechselintervalle verlängern kann.

Gegen 8 Uhr beginnt aus dem Regen ein Regenguss zu werden. Die Zeltplätze schwimmen. Unserer liegt etwas höher, wir bleiben relativ trocken. Der arme Thorsten ist derzeit auf der Strecke. Und ich arme Sau muss ihn ablösen. Trotz Regenjacke bin ich bereits nass bis auf die Haut als ich in der Wechselzone eintreffe. Ich warte etwa 5 Minuten auf ihn und friere erbärmlich. Die Lautsprecheransage erlöst mich. ``Rennunterbrechung. Alle Fahrer auf der Strecke in die Wechselzone.´´ Ich kehre um. Auch Thorsten trifft bald ein. Er scheint noch nasser zu sein als ich und verschwindet sofort unter der Dusche. Ich versuche mich, zwar sauber, aber nass, in meinem Schlafsack warm zu halten. Immerhin weiß niemand ob und wann das Rennen fortgesetzt werden würde.

Wir nutzen die Zeit für´s Frühstück. Der Hunger lässt gierig werden. Mit einem Lächeln quittiert die Dame am Buffet, dass ich mir zwei Teller Rührei aufschaufele. Dazu Brötchen und Kaffee. Die Augen sind größer als der Mund. Alles schaffe ich dann doch nicht.

Um 11 Uhr folgt dann der Rennabbruch. Die Strecke gilt als unbefahrbar. Schade, denn auf diese Schlammschlacht hätte ich richtig Bock gehabt.

Dennoch bleibt mir die Erinnerung an ein geiles Rennen, dass ich eigentlich gar nicht fahren sollte, an ein tolles Wochenende mit klasse Leuten und die Gewissheit, dass wir uns im nächsten Jahr wieder um Startplätze bemühen werden.




Die Bilder stammen aus der Kamera des sportograf
Sascha Krüger erwarb die Fotostrecke und stellte sie zur Verfügung.



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