Geschwächelt

Bis spät in die Nacht feierten wir den Geburtstag von Kumpel Maik. Wir hatte jede Menge Spaß und so blieb kein Auge und wie es sich auf dem Dorf gehört, natürlich auch keine Kehle trocken. Mit dem Alkohol hielt ich mich allerdings, ganz zum Unverständnis der anderen Gäste, stark zurück. Doch Halvtreds hatte die Mitglieder von HFS zu einer geführten Tour ab Großhansdorf geladen. Da durfte und wollte ich nicht fehlen. 60 - 80 Kilometer auf tiefem Boden hatte Halvtreds uns versprochen. Er hielt sein Wort.

Einen kleinen Vorgeschmack auf die derzeit vorherrschenden Bodenverhältnisse bekam ich bereits auf der 16 Km langen Anreise nach Großhansdorf, die ich mit dem Bike bewältigte. Wie durch Wackelpudding rollten, oder eher schmatzten die Reifen durch den Motter und zogen bereits die erste Energie aus den Beinen. Als ich am U-Bahnhof Kiekut eintraf, begrüßten die anderen Teilnehmer einen bereits stark mit feinem Matsch besprenkelten Bagdad-Biker.

Da ich als letzter eintraf, konnte es dann auch sofort losgehen.
Das als moderat angekündigte Tempo empfand ich, in Anbetracht der Bodenverhältnisse und der geplanten Streckenlänge, gleich zu Beginn etwas hoch. Das störte mich jedoch nicht weiter. Ich wähnte mich in der Sicherheit, mich in und um Großhansdorf auszukennen und die Tour bei einem Einbruch meiner Kräfte ggf. vorzeitig beenden und nach Hause radeln zu können. Dass diese Einschätzung völlig falsch war, bemerkte ich zu spät.

Zunächst allerdings war mir die Umgebung noch gut bekannt. Mit jedem Kilometer mehr auf dem Tacho änderte sich dies. Halvtreds nutzte jeden noch so kleinen Schleichweg um der Zivilisation zu enkommen und ich verlor schnell die Orientierung. Es zeigte sich, dass Halvtreds die Strecke sehr gut ausgearbeitet und recherchiert hatte. Auch führte er gewissenhaft und umsichtig. Verloren ging niemand. Allerdings hatten wir drei Ausfälle zu verbuchen. Wosi und Ulli verabschiedeten sich recht früh. Später dann auch eine mir unbekannte Fahrerin. So ging es zu siebt weiter.

Die Strecke bot die für Schleswig Holstein typischen Reize.Wald, Koppeln, Äcker und Knicks. Wenig Höhenmeter, einige Trails, viel Wald- und Forstweg. Alles bestückt mit dem für diese Jahreszeit obligatorischen Matsch, der Rad und Fahrer schnell in ein einheitliches braun färbte. Das Schaltung und Kette mal wieder unvorstellbares leisten mussten, hatte ich nicht anders erwartet und sei hier nur am Rande erwähnt.

Ein wenig Survivalfeeling kam auf, als wir neben einem Feld voller, ich glaub es war Rhododenren, entlangfuhren und uns unverhofft durch das Dickicht des Waldes schlagen mussten. Auch die eingebaute Bachdurchfahrt war abenteuerlich, brachte allerdings auch nasse Füße, was bei dem Wetter meist weniger lustig ist. Ich friere leicht. Besonders an den Füßen stellen sich bei mir schnell Gefühllosigkeit und Erfrierungen ein. Da wird eine Tour schnell zur Tortour.

Ich wähnte mich weiterhin in heimischen Gefilden. Sieht doch jeder Matschweg wie der nächste aus. Erst als wir Koberg erreicht hatten, wurde mir mit Schrecken
bewusst, wieweit wir uns bereits gen Osten bewegt hatten. Nun gab es für mich eigentlich keine Möglichkeit mehr, um die Tour großartig abzukürzen. Zumal ich mich in dieser Region auch kaum auskenne.

Das Tempo war weiterhin zügig, aber ohne Hetze. Meine Beine allerdings vermeldeten mir, dass dies erst meine zweite Tour in diesem Jahr ist und ich gut daran täte, ein wenig Tempo rauszunehmen. So fuhren die Schnelleren vorweg. Helmut, ich und zwei weitere hinterher. Das funktioniert, da die gut harmonierende Gruppe bereitwillig Rücksicht nahm.

Bald jedoch stellten sich bei mir Schmerzen in der Kniekehle ein. Zu dem Zeitpunkt hatte ich 60 Km auf dem Tacho stehen. Im Grunde keine sonderliche Leistung. Der tiefe Boden forderte offensichtlich aber seinen Tribut. Kaputtfahren will ich mich gleich zu Beginn des Jahres nicht. Daher entschied ich mich die Gruppe ziehen zu lassen und meinen Heimweg auf weit weniger anstrengenden Geläuf zu bewältigen. Halvtreds erklärte mir in einer knappen aber präzisen Beschreibung den Heimweg entlang der Straße. ``Kürzer ist es mit Sicherheit nicht, aber gelenkschonender´´, erklärte er.

Orientierungsschwierigkeiten hatte ich auf der Heimfahrt dank der guten Beschreibung nicht. Aber zu kämpfen ohne Ende. Mal zwickte das Knie zu arg, mal spürte ich die nassen Füße nicht mehr. Daher legte ich immer wieder kurze Schiebepassgen ein, die ich dann und wann auch zum Rauchen und zur Nahrungsaufnahme nutzte. So bummelte ich mich über die Dörfer nach Hause. Ohne sonderliche Eile, aber angetrieben von der Sehnsucht nach einer warmen Dusche und der Couch.

Immerhin 90 Kilometer standen später auf meinem Tacho, die ich nun im Trainingsplan notieren kann. Somit komme ich bisher auf 122 Km im Januar. Nächste Woche ist die CTF In Kattendorf. Das Monatsziel von 200 Km scheint greifbar nah.

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