100 Km gehen immer...

...sagt der Trainer. Auch ohne Training. Nur kämpfen muss man können.

Zunächst aber kämpfe ich mit dem Hamburger Feierabendverkehr. Es ist Freitag Nachmittag und ganz Hamburg ist verstopft. Seltsamerweise wollen alle in die gleiche Richtung wie ich und so stehe ich erst auf der A7, dann auf der A1 im Stau. Mein Zeitpuffer schwindet. Mein Vorhaben heute rechtzeitig zu Hause zu sein, habe ich schon lange aufgegeben. Die Momo ist bereits informiert, dass es heute mal wieder später werden wird. Das kennt sie schon von mir. Und so eilt sie statt meiner in den Radladen, um auf letzten Drücker noch die dringend benötigten Ersatzteile zu kaufen.

Derweil steht der Janibal mit scharrenden Hufen vor seiner Haustür und wartet darauf von uns abgeholt zu werden. Um sieben bin ich mit zwei Stunden Verspätung daheim. In Windeseile werden die Sachen ins Auto geworfen, das Rad geinstet und der Jan abgeholt. Es versteht sich von selbst, dass ich so einiges in der Eile vergessen habe und so muss ich sogar eine Trinkflasche von meinem Trainer borgen.

Die Fahrt ist unbequem. Der Peugeot Expert, den wir uns von Momo´s Firma geliehen haben, bietet deutlich mehr Ladefläche als Beinfreiheit. Ich bin froh und dankbar, als wir endlich den Campingplatz erreichen. Die anderen Foris sind von unserem Eintreffen und der nächtlichen Zeltaufbauaktion nur mäßig begeistert. Immerhin ist es fast halb zwei in der Nacht.

Die Nachtruhe ist kurz. Gegen sechs kann ich nicht mehr liegen. Das Kreuz tut weh. Ist halt kein Himmelbett so´ne Isomatte. Winnetou und Old Shatterhand müssen chronische Bandscheibenpatienten gewesen sein.



Rennfieber will heute bei mir nicht so recht aufkommen, daher bin ich auch gar nicht böse, dass ich als letzter Fahrer des Teams auf die Strecke geschickt werde. Aufgrund meines deutlichen Trainingsrückstandes hat sich das Team darauf verständigt, dass ich immer eine Runde weniger fahre, als die anderen. Ist immer noch besser, als nach einigen Stunden aufgrund von Erschöpfung einen personellen Totalausfall verbuchen zu müssen.

Erst gegen frühen Abend stehe ich dann im Renndress in der Wechselzone. Die Pulsuhr zeigt mir einen Ruhepuls, der mich an das langsame Ticken einer Standuhr errinnert. Wo bleibt es denn das Rennfieber? Ich zurre den Helm fest, ziehe die Handschuhe an und klicke schon mal einen Fuß ein. Der Momo einen letzten Kuss aufgedrückt, versuche ich mich auf die bevorstehenden Anstrengungen zu konzentrieren. Und es gelingt. Da kommt es, das vertraute Gefühl des Adrenalinschubs. Der Ruhepuls steigt auf 156 Schläge. Jetzt bin ich aufgeregt und freudig erregt zugleich. Jetzt bin ich heiß.

Als Anneke in die Wechselzone einfährt und abklatscht, presche ich los wie ein Irrer. Wie immer gehe ich die erste Runde übermotiviert und viel zu schnell an. Das rächt sich bereits in der dritten Kurve, in der ich abschmiere, weil der trockene Rasen wenig Grip bietet und ich viel zu schnell einfahre.

Von der Strecke bin ich arg enttäuscht. Es gibt drei technische Abschnitte, der Rest besteht aus Asphalt. Das hat mit MTB Rennen wenig zu tun. Hier ist die Herausforderung und Gegner zugleich der ziemlich kräftige Wind, der mir auf dem Deich entgegen bläst. Die eingebaute Schikane am Deich macht auf mich den Eindruck des kläglichen Versuchs die Fahrer auf Krampf an die körperliche Grenze zu bringen. Nach dem Motto, wenn die Strecke nix hergibt, fertig machen tun wir euch trotzdem.

Erst zum Ende der Runde wartet nochmal ein kleines technisches Stück in Form eines Walls aus losem Sand. Nicht einfach zu befahren. Und so liege ich eher am Boden als ich Scheiße sagen kann. Salto übern Lenker und den Wall inklusive. Das Rad liegt irgendwo dahinter. "Wie beim Springreiten ein bockender Gaul" denke ich mir noch, als das Mädel, bei dem ich mich auf dem Deich kackfrech im Windschatten ausruhte, um sie dann auf der letzten Abfahrt fullspeed zu verblasen, mir im Vorbeifahren ein "Du hast Dein Rad vergessen" zuruft.

Ich kämpfe mich mit Schmerzen im Handgelenk zur Wechselzone durch. War klar, dass ich auf die kaputte Hand fallen musste. Der Jan hat sowas geahnt und steht eine Runde eher als geplant bereit und löst mich aus.

Im Fahrerlager bastelt mir die Momo sofort die Hand in einen Kompressionsverband und so kann das Rennen für mich weitergehen. Und mit jeder Runde, die ich fortan fahren muss, werden die Schmerzen subjektiv auch weniger oder liegt es daran, dass sich der Schmerz nur verlagert? So ganz ohne Training ist selbst die flacheste Strecke schnell eine Tortour. Die Beine brennen und die Lunge pfeift. Der härteste Gegner ist der Wind. Ich fahre Vollgas. Eben nach meinen Möglichkeiten. Die Rundenzeiten liegen zwischen 22 und 26 Minuten. Damit kann ich ganz gut leben. Janibal ist auch nur in einigen wenigen Runden deutlich schneller. Fairerweise muss man aber anmerken, dass der natürlich auch deutlich mehr Runden fährt.

In meiner dritten Runde ist es bereits fast dunkel und es beginnt zu regnen. Die Kuhgitter auf dem Deich werden hölle glatt. Einmal nicht richtig aufgepasst, zieht es mir das Vorderrad weg. Ich kann aber noch ausklicken und so zieht nur das Pedal eine tiefe Furche in den Schotterboden. Alle weiteren Runden verlaufen zum Glück sturzfrei für mich. Nur werden sie immer anstrengender. Es ist einfach zu wenig Grundlage vorhanden. Das zeigt sich immer deutlicher.

Nach Runde fünf will ich eigentlich duschen und die nassen Klamotten wechseln. Ich verdaddel aber die Zeit mit Nahrungsaufnahme und Rauchen und fahre zwei weiterer Runden in nassen Sachen. Das rächt sich sofort. Der Hintern wird wund und erholt sich trotz Salbe nicht mehr. Meine zwölfte und letzte Runde fahre ich zur Hälfte im Stehen und bin dankbar, dass der Teamleader mich auf keine weitere Runde mehr schickt. Fast 120 Km im Renntempo haben mir meine physischen Grenzen ganz klar aufgezeigt.

Heute am Tag danach bin ich schon wieder guter Dinge. Die Hand schmerzt noch etwas und der Hintern brennt als sei er mit Tabasko einmassiert, aber alles erträglich. Wenn nur die Beine nicht so verhärtet und bleischwer wären...

Alles in Allem aber eine gute Vorbereitung auf Duisburg. Zumindest Rennhärte mal wieder gespürt. Gekämpft wie vom Trainer gefordert hab ich auch und mich dabei, gemessen am Trainingszustand, gar nicht so schlecht verkauft.

Vielen Dank an die Foris. Das war´ne runde Sachen. Hat viel Spaß gemacht mit Euch. Es gab trotz körperlicher Belastung kein Gezanke o.ä. und so viel gelacht hab ich auch schon lange nicht mehr! Dank auch an Momo, die Jan und mir nicht nur das anschließende Autofahren abnahm, sondern auch vor Ort sich rührend um mich gekümmert und mich immer wieder ermutigt hat, trotz der Schmerzen nicht aufzugeben und das Rennen zu finishen. Fahrerlagerauf- und Abbau, Getränke reichen und, und, und. Zwischenprüfung bestanden. In Duisburg kannst Du Dir dann Deinen Gesellenbrief verdienen.

Zum Abschluss noch einige Pros und Contras:

+ geiler Campingplatz mit super Ambiente
+ 24 h warme Duschen und saubere WC´s rund um die Uhr
+ Kiosk 24 h offen
+ sehr familiär
+ kein Stress innerhalb oder zwischen den HFS Teams
+ internationales Fahrerfeld

- langweilige, einfallslose Strecke
- kein Frühstück für die Fahrer
- Fehler bei der Siegerehrung
- langwierige Anmeldung

Aber alles Anfängerfehler, wie sie bei einer Erstveranstaltung halt passieren können und noch lange kein Beinbruch.

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