Ich hab nie an Himmel und Hölle geglaubt. Doch heute hatte der Teufel wahrlich seine Hand im Spiel. Das hab ich nun davon, dass ich vor Jahren aus der Kirche ausgetreten bin. Wer keine Kirchensteuer zahlt, der bekommt auch deren Schutz und den Segen des Papstes nicht. Und so stand Badse für mich unter einem ganz schlechten Stern. Oder anders gesagt: Hätte ich gewusst, dass ich dort ein Rad im Wert von 4.000 € gewinnen würde, hätte ich:

1. Mein altes Rad nach dem Sturz gleich im Wald liegengelassen.

2. Mit der Rückfahrt bis nach der Preisverleihung gewartet, um den neuen Hobel in Empfang nehmen zu können.

So aber sitze ich ernsthaft gefrustet und den Tränen der Enttäuschung nahe, mit meinen lädierten Knochen vor´m PC und versuche einen Bericht zu formulieren, während mein getreues, aber arg betagtes Aluross in der Werkstatt steht und von seiner wohlverdienten Rente weiter nur träumen kann.




Dabei begann der Tag noch völlig unauffällig. Die Fahrt nach Badse ist dank Janibals sonnigem Gemüt wieder mal kurzweilig und amüsant. Und unsere Supporterin Manon fährt dessen durch Defekte auf minimalistische Funktion getrimmten Renault so sicher wie ein Bierkutscher sein Kutschfuhrwerk. routiniert und souverän.

Routiniert und souverän will ich auch fahren. Das gelingt mir im Rennen aber nicht. Schon die Streckenbesichtigung zu Fuß macht mir schlagartig bewusst, dass ich heute fahrtechnisch wie konditionell an meine Grenzen stoßen werde. Der Umstand, dass Jan im Rennen zuvor bereits gestürzt ist, flößt mir keinen weiteren Respekt ein. Er macht mir Angst!

Dennoch gehe ich, wie immer, die erste Runde übermotiviert, fast hippelig an. Nach dem Start liege ich noch auf Platz 5. Doch der erste Anstieg hat es wirklich in sich. Eine steile Asphaltrampe, die offenbar kein Ende nehmen will, zieht das Fahrerfeld weit auseinander und spuckt mich ziemlich weit hinten wieder aus. Nach grade mal 1 Km hat es mich vom 5. auf den fünftletzten Platz zurück geworfen. Mit zittrigen Oberschenkeln, einer rasselnden Lunge und einem Puls am absoluten Anschlag geht es in die erste Abfahrt. In diesem Zustand fällt das Fahren schwer. Es gelingt mir kaum mich zu konzentrieren und eine saubere Linie zu fahren. Dabei wäre das auf dieser Strecke dringend nötig. Die Passagen sind allesamt technisch sehr fordernd. Es geht entweder steil bergauf oder steil bergab. Wurzeltreppen, tiefe Stufen und Absätze, Anlieger und reichlich loser Sand fordern echt Talent. Ich habe keins, versuche aber trotzdem irgendwie über den Parcour zu kommen.

Den beiden Fahrern vor mir geht es offenbar ebenso. Sie fahren dicht auf dicht, mir aber eigentlich zu langsam. Bergab kann man schließlich auch mal laufen lassen. Seit einiger Zeit suche ich eine Möglichkeit an ihnen vorbeizukommen. Aber keine Chance. Alles enger Singletrail - zum Überholen ist kein Platz. Und so hänge ich mich ebenfalls dicht dran und warte auf eine Möglichkeit den beiden meinen Hinterreifen zu zeigen.

Dass die beiden Angstbremser vor mir eine Stufe runterpoltern (Vorderrad anlupfen, und sauber durchrollen, ihr Pfeifen) kann ich im aufgewirbelten Sand grad noch schemenhaft erkennen. Da sie dabei mit blockiertem Hinterrad aber jetzt derart viel Staub aufwirbeln, geht die Sicht gegen Null und fahre blind. Als mir schlagartig das Vorderrad rund 20 cm abtaucht wird mir bewusst, dass ich die Stufe ebenfalls erreicht habe. Ebenso schlagartig wird mir bewusst, dass ich einen Sturz kaum noch werde verhindern können. Nur auf dem Vorderrad fahrend, eier ich noch ein, zwei Meter. Dem weiteren Streckenverlauf nach rechts kann ich mit dieser akrobatischen Nummer aber nicht folgen. Mich haut es über den Lenker durch die Absperrung den Hang hinunter.

Ich bleibe einen Augenblick liegen, muss mich erst orientieren. So ganz beisammen sind die Sinne nicht. Bin ich auf den Schädel gefallen? Ich weiß es nicht genau. Kann mich nicht entsinnen. Irgendwas piekst bei jedem Atemzug in der Nase. Ich stelle fest, es sind Tannennadeln, die ich mit der Nase eine Furch in den Waldboden ziehend aufgesammelt habe. Dann spüre ich das Knie. Irgendwo muss ich hart aufgeschlagen sein. Wer zum Teufel legt ausgerechnet da wo ich hinfallen will, Steine in den Wald? "Bleib bloß liegen. Bleib um Himmelswillen liegen" Es sind die den Hang herunterstolpernden Sanis, die an dieser Stelle offenbar nicht zufällig postiert sind und sicher an diesem Tag dort auch keine Langeweile zu beklagen haben.

Ich stehe trotzdem auf, lehne ihre Hilfe dankend ab. Wenn ich faul im Wald herumliegen möchte, dann nehm ich schließlich nicht das Rad, sondern Frau und Picknickdecke mit!!! Das Bein schmerzt und zittert. So richtig auftreten kann ich nicht. Ein Raunen geht durch die Zuschauer, dann folgt begeisterter Applaus, als ich mich wieder auf´s Rad schwinge. Ja so sind wir Wikinger aus dem hohen Norden - hart im Nehmen. Aber der Beifall tut gut. Ist er doch Balsam für den verletzten Mountainbikerstolz!

Und so hart bin ich gar nicht. Das offenbar nur noch winzige Reste der Wikingergene in mir stecken, merke ich bereits am nächsten Gegenanstieg. Ich kann mit dem Knie einfach keinen Druck auf das Pedal bringen. Ich muss tatsächlich zweimal schieben. Egal. Inzwischen bin ich eh weit abgeschlagen auf letzter Position. Selbst meine beiden Angstbremser werd ich mit dem geschwollenen Knie nicht wieder einholen können. Und besser wird das Gelenk sicher nicht, wenn ich mich quäle, nur um einen letzten Platz zu verteidigen. Daher setze ich mir das Ziel, diese eine Runde noch zu beenden (so wegen des eigenen Stolzes wegen), um mich dann in den Armen meiner Freundin (Männer können ja so wehleidig sein) trösten zu lassen.

Der Janibal guckt verdutzt. Erst weil ich so spät komme, dann, weil ich das Rad von der Strecke schiebe. Als ich Bericht erstatte, drängt er mich dazu, sofort das Bein zu kühlen. Also rein gehoppst in den die Innenstadt teilenden Bach und das Knie darin versenkt. Paparazibal Leutz macht, sensationslüstern wie er ist, erstmal ein paar Fotos. Dann stellt er fest, dass mein Knie, nachdem der Staub und Dreck abgewaschen ist, ziemlich dick aussieht. Und schleift mich trotz Widerworten zum Sanitätszelt. Den nun folgenden operativen Eingriff, also genauer gesagt, das Anlegen eines Salbenverbandes, hält er ebenfalls mit seiner Knippse fest. Es bleibt mir heute aber auch wirklich keine Schmach erspart.

Nachdem wir reichlich Smaltalk mit diversen Leuten gehalten haben (der Leutz scheint mindestens so bekannt wie unser Admin und wird an jeder Ecke angequatscht) und uns mit Crêpes gestärkt haben, bestaunen wir noch eine Weile das Rennen der Profis. Die Fahren jetzt ein Sprintrennen vor dem morgigen Bundesligalauf. Dann tingeln wir zum Auto. Manon ist total begeistert, als ich ihr erzähle, dass wir grad an einem seine Gabel aufpumpenden Wolfram Kurschat und einer sich auf der Rolle warmfahrenden Sabine Spitz vorbeischlendern. Ohne Sicherheitszäune und Bodygards kommt man hier den Helden der Radsportszene hautnah.

Am Auto angekommen überlegen wir noch eine Weile, ob wir bis zur Verlosung des besagten Mountainbikes warten wollen. Wir beschließen keine weiteren zwei Stunden zu warten, gehen davon aus, dass uns ein solches Glück ohnehin nicht vergönnt sein würde und brechen auf. Wir witzeln bei der Abfahrt noch, dass wir bestimmt folgendes Szenario verpassen: "Gewinner des MTB`s ist Oliver Heigl. Der ist nicht da? Schade! Nächstes Los... Jan Leutz. Auch nicht da? Ok, nächstes Los...."

Kaum zu Hause angekommen, ruft mich der Werner an. Er berichtet etwas, was ich für eine schlechten Scherz halte! Er war bei der Verlosung dabei und hat folgendes Szenario erlebt: "Gewinner des MTB`s ist Oliver Heigl. Der ist nicht da? Schade! Nächstes Los... Jan Leutz. Auch nicht da? Ok, nächstes Los...."

So unglaublich es klingt, ist es dennoch wahr. Die Wahrscheinlichkeit, dass mein Los gezogen wurde, war gering, dass direkt im Anschluss Jan gezogen werden würde noch weit geringer. Aber die Tatsache, dass wir vorher dieses Szenario als Scherz vorhergesagt hatten, grenzt an ein Wunder. Stellt sich mir nur die Frage, was war es nun, dass wir nicht geblieben sind? Ist das nun Pech! Unglück, Schicksal oder Gottes Fügung????


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