Grenzerfahrung

  

Drei Tage auf den Spuren der Vergangenheit wollten wir uns bewegen, viel unberührte Natur erleben und dabei reichlich Kilometer abspulen. Das ist uns gelungen, wenn auch wir unsere geplante Route bis nach Schnackenburg kurzerhand abänderten und schließlich in Launeburg strandeten.







Wir beginnen unseren Trip im heimischen Tremsbüttel und fahren auf dem Radwanderweg einen Schlenker über Bad Oldesloe bis nach Ratzeburg. Auf den 80 absolvierten Kilometern werden wir von vielen kurzen aber heftigen Regenschauern gejagt, was uns ein ums andere mal zu ungeplanten und fluchtartigen Zwischenstops in diversen Bushaltestellen zwingt.

  
Auch so manche Raucherpause lege ich ein, während Manon reichlich Bilder knippst. U.a. auch diese:









 Aufgenommen bei Berkentin.



Bis heute ist es uns ein Rätsel, aus welchem Grund sich jemand diese Exoten
hier im hohen Norden hält.





In Ratzeburg angekommen, beginnen wir mit der Suche nach einer Unterkunft. Wir haben zwar unser Zelt dabei, der ständige Regen lässt aber den Wunsch nach einer festen Unterkunft aufkommen. Das Touristenbüro der Inselstadt hilft uns weiter. In der ausliegenden Broschüre entdecken wir eine günstige Unterkunft im Nachbarort Bäk. Sie ist sehr schlicht und einfach eingerichtet, reicht dem weniger komfortorientierten Radwanderer für eine Nacht aber völlig aus. Für 25 € (zwei Personen) stehen zwei Einzelbetten, eine warme Dusche und auch ein Fernseher bereit. Letzterer ist ein echter Luxus. Schließlich spielen am Abend unsere WM Helden gegen die Looser aus Algerien.

SCHLAAAAND!







Am nächsten Morgen brechen wir sehr zeitig auf. Zum Frühstücken rollen wir zurück in die Domstadt Ratzeburg. Von dort setzen wir unseren Weg nach Schlagsdorf fort. Hier wartet, wie wir aus dem Internet wissen, ein Grenz-Museum auf Besucher. Schlagsdorf bedeutet für uns zwar einen Umweg, allerdings lohnt er sich. Landschaftlich ist die Strecke ein Traum. Der ehemalige Todesstreifen, auf dem wir uns nun bewegen, wurde von der Natur zurückerobert und bietet dem Auge nahezu unberührtes Grün.





Zudem sind die Wege rund um Schlagsdorf mit reichlich Hinweistafeln bestückt. So wird allein der Weg bereits zum Museums- und Lehrpfad.




Am Schlagsdorfer See (siehe unten) findet sich ein Schwimmponton, der als Bootsanleger und Badestelle dient. Diese Stelle ist ein echter Geheimtip, weil wunderschön. Auch für die Wildcamper dürfte dieser Ort mehr als interessant sein. Das Wasser des See´s ist sehr klar und zum Waschen von Körper und Ausrüstung in jedem Fall geeignet, der Boden eben, mit Gras bewachsen und nicht übermäig feucht. Eine Hecke schützt vor Wind und selbst ein kleines Abendliches Feuer wäre hier möglich.





Unser Weg aber führt uns weiter. Durch Feld und Wiese,

 
 vorbei an Kirchbäumen,
 deren Früchte in voller Reife stehen.






Am Ortseingang Schlagsdorfs finden wir die zusammengetragenen Relikte vergangener Tage vor.


Sie sind Teil des Grenzmuseums, welches wir uns natürlich auch ansehen. 4 € Eintritt pro Person sind fair. Dass man uns 1 € zusätzlich für das Fotografieren abnimmt grenzt jedoch an Wegelagerei!

 Dennoch ist das Museum in jedem Fall einen Besuch wert.







Der Besuch im Museum erweist sich auch wettertechnisch als Glücksgriff. Es gießt zwischenzeitlich nämlich wie aus Eimern. Wir bleiben deutlich länger als geplant und wir werden langsam hungrig. In Schlagsdorf selbst lässt sich nichts Essbares auftreiben und so bleibt uns im weiteren Verlauf der heutigen Tour, die eigentlich eine Radlerherberge bei Boizenburg zum Ziel hat, nur die Hoffnung, unterwegs irgendwo einkehren zu können. Leider wird diese Hoffnung enttäuscht. Die Gegend hat eine infrastrukturelle Beschaffenheit wie eine Wüste. Ein Supermarkt wäre wie eine Fatamorgana, ein lang ersehntes Ziel, dass fern jeglicher Realität liegt.
Auch die Wegbeschaffenheit wird schlechter. Schließlich finden wir uns mitten im Dickicht wieder. In diesem Teil der Republik wird Wegpflege augenscheinlich nicht sonderlich groß geschrieben. Es wäre eine Machete notwendig. Wir mühen uns ab. Schieben, tragen und zerren unsere Räder inklusive Beladung 5 Km durchs Unterholz. Wir fluchen, motzen, schimpfen und haben trotzdem jede Menge Spaß. Doch die Zeit ist veronnen, die Mägen hängen in der Kniekehle und der nächste Regenschauer entlädt sich über uns. Wir weichen auf die Straße aus und steuern, in der Hoffnung ein Lokal vorzufinden, die nächste Ortschaft an. Ortschaft um Ortschaft wird angefahren, bis wir endlich am späten Nachmittag fündig werden. Inzwischen ist sehr viel Zeit verstrichen und dennoch haben wir erst 45 Km absolviert. Ironischweise befinden wir uns gerade mal 10 Km Luftlinie von Ratzeburg, unserem morgentlichen Startpunkt, entfernt.






Wir planen unsere Tour um. Statt heute bis Boizenburg und am Folgetag bis Schnackenburg, wollen wir heute bis Salem und morgen dann bis Lauenburg fahren. Der Weg ist schließlich das Ziel.
Wir beschließen in Salem auf dem Campingplatz zu übernachten. Das Abendbrot wollen wir unterwegs oder ggf. beim Kiosk auf dem Platz kaufen. Es passt zum heutigen Tag, dass wir unterwegs weder Tankstelle noch Supermarkt passieren, von weiteren zahllosen Regenschauer gejagt werden und der Kiosk auf dem Campingplatz wochentags geschlossen hat.


 Mit knurrendem Magen bauen wir das Zelt auf.
Unser Abendessen besteht heute aus Keksen und Süßigkeiten, die sich noch in unseren Satteltaschen finden. Aber auch davon lassen wir uns die Laune nicht vermiesen. Wir wollten ja bewusst keinen Pauschal-Urlaub, keine vorgebuchten Unterkünfte und keine geplanten Verpflegungstellen.
Wir wollten fahren, ohne den Zwang ein bestimmtes Etappenziel erreichen zu müssen. Du und dein Rad, die Natur und ein Track, der die grobe Richtung vorgibt.
Wir wollten Abenteuer - et voilà!


Wir genießen den abendlichen Blick vom Zelt aus auf den Salemer See,




 bevor wir uns in die Schlafsäcke kuscheln.





Der Hunger weckt uns früh. Schleunigst packen wir zusammen und greifen die ersten 10 Km des Tages nach Zarrentin an. Denn dort, dass wissen wir mit Sicherheit, haben in einer ostdeutschen Stadt inzwischen westlicher Standart und Zivilisation Einzug gehalten. War auch erschreckend genug, dass kurz hinter einer Grenze, die schon so lange offen ist, viele Ortschaften in der Zeit stehengeblieben scheinen und die Menschen wie noch vor 40 Jahren leben.


 Unsere WM Elf schwitzt in Brasilien, während wir Beinlinge und Softshelljacke anziehen müssen.


Gestärkt durch lecker Brötchen und mit frisch gefüllten Flaschen, fahren wir von Zarrentin nach Boizenburg. Heute nehmen wir vornehmlich die asphaltierten Radwege. Die Beine werden zunehmend schwerer, da legen wir auf so heftige Geländeabschnitte wie am Vortag wenig Wert.
Boizeburg ist bildhübsch und präsentiert, bei strahlendem Sonnenschein den wir heute genießen dürfen, eine Altstadt, die immer wieder einen Besuch wert ist. Nur gastronomisch werden wir wieder enttäuscht. Zur Mittagszeit bleiben die Mägen leer. Jedes von uns angesteuerte Lokal hat geschlossen.

Am Elbhang in Boizenburg geht es neben der B 5 nach Lauenburg. Der Ausblick ist prächtig, die Alternative entlang am Elbdeich wäre aber sicherlich ebenfalls reizvoll gewesen.





Am frühen Abend, nach 210 Km in drei Tagen, sitzen zwei doch recht angeschlagene Biker im Zug von Lauenburg nach Hamburg. Binnen 2 Stunden sind wir wieder daheim. Glücklich, zufrieden aber auch hundemüde. Gespickt mit Eindrücken und Erfahrungen stellen wir fest, dass tatsächlich nicht immer die Ferne rufen muss. Das Abenteuer wartet oft unmittelbar vor der Haustür.



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