Holstentortour


Zeit ist wie Bargeld. Von beidem hat man trotz bzw. gerade wegen der Berufstätigkeit, stets entschieden zu wenig.
Ich hätte Millionär werden sollen - oder Hartz IV Empfänger. Der eine hat mehr Kohle als es ausgeben kann, der andere jede Menge Freizeit - immerhin!
Ich bin aber weder das Eine noch das Andere und das ist auch irgendwie gut so. Doch so muss ich sehen wo ich bleibe. Denn kaum hat man sich mal nen Puffer geschaffen, kommt garantiert irgendwas dazwischen. Ein Materialdefekt zum Beispiel. Der frisst dann gern mal ein Loch in die mühsam angesparte Haushaltskasse. Den Banker freut der regelmäßige Sollzinsertrag des Girokontos. Dem Kontoinhaber treibt er regelmäßig die Tränen der Verzweiflung in die Augen.





Nicht viel anders verhält es sich mit der Freizeit. Wochentags strampelt man sich in der Tretmühle des Broterwerbs ab - am Wochenende würde man selbiges gern auf dem Rad tun. Wäre da nicht noch der Rasen zu mähen, bevor er zum Dschungel mutiert. Auch das Auto wäre dringend zu waschen - die Nachbarn spotten schon. Und die längst überfällige Steuererklärung mahnte das Finanzamt bereits mehrfach an. Von dem sich seit Jahren wie Kaugummi hinziehenden Umbau des Eigenheims sprechen wir lieber gar nicht erst. Besser ist wenn nicht!

Und bei der Freizeit gibt es ja nichtmal einen Dispokredit. Zu gern würde ich gelegentlich einfach einen 8. Wochentag in Anspruch nehmen, bevorzugt einen Sonntag, um ihn dann in den Folgewochen mit Zins zurückzugeben. Meinetwegen mit 100 % Zinssatz - kein Problem. Einen zusätzlichen Sonntag gegen zwei ohnehin ungeliebte Montage - klingt mehr als fair, finde ich!
Da ich aber Kunde der ``Hamburger Spaßkasse´´ bin, und nicht der ``Bank of Time´´, und die gibt es zu meinem eigenen Erstaunen tatsächlich, zahle ich also weiterhin artig Überziehungszinsen für das dringend benötigte Bargeld, auch wenn das so rein gar keinen Spaß macht, und muss allein zusehen, wie ich mit meinem Zeitbudget zurechtkomme.

Und als wenn der innere Schweinehund und das Gewissen, ersterer wegen mangelnder Trainingseinheiten und letzters wegen finanzieller Verpflichtungen, nicht schon genug nagen würden, wirft Kumpel Marco per Whats App ganz lässig in den Ring, dass wir uns schon wieder viel zu lange nicht gesehen haben. Womit er leider durchaus recht hat.
Anschließend teilt er mir ganz beiläufig mit, dass er am Freitag heiraten wird und er mich am Sonntag zu Besuch erwartet. Wumm...das hat gesessen. Ich bin schockiert!
Weniger davon, dass er mir von seinen Zukunftsplänen nichts erzählt hatte oder der Tatsache, dass ich seinem lebenslänglichem Haftantritt am Freitag nicht beiwohnen darf. Aber umsomehr von dem Umstand, dass ich für den Sonntag, dem einzig freien Tag der Woche, definitiv eine Radeinheit geplant habe und seine Hochzeit mir das grade tierisch zu vermasseln droht. Muss der denn wirklich heiraten - gerade jetzt? Muss er offenbar, auch wenn es zeitlich gar nicht passt!
Was also tun, so ganz ohneGuthaben oder Dispo auf dem Zeitkonto? "Ich komme mit dem Rad!", schreibe ich ihm meine ebenso einfache wie geniale Idee. Und so brauche ich zumindetst nicht darüber senieren, wohin mich mein Bike diesmal tragen soll. Was ja enorm an so knapp bemessener Zeit spart.

Lübeck besteht leider nicht nur als Altstadt - zunächst bekommt man Plattenbauten am Elbe-Lübeck Kanal präsentiert


Traveufer

Die Strecke nach Lübeck beträgt in kürzester Distanz etwa 35 Kilometer. Dann aber müsste ich vorwiegend auf Asphalt fahren. Gestank und Lärm der Autos inkludiert. Einen im Basecamp bereits abgespeicherten Track des Stormarnwegs kann ich so modifizieren, dass ich den Autoverkehr größtenteils meiden und mich im Gelände und auf Forstwegen bewegen kann.

Alter Wassertum vor Lübeck-Marli

Die Sonne brennt mir mit 30 Grad gewaltig auf den Helm. Dennoch ist es herrlich. Die Strecke gefällt. Sie ist auf Teilen deutlich anspruchsvoller als meine letzte Tour nach Norderstedt, gleicht dies aber durch ihren landschaftlichen Reiz aus. Besonders die Wegstrecke, die Teil der via Baltica des Jakobswegs ist, vereint sogar beides.
südlich von Lübeck auf der via Baltica.....

....wird Pilgernden viel abverlangt

Unterwegs bin ich heute seit langer Zeit mal wieder mit meinem Dicounterrad, da mein Bulls unter den Folgen der letzten Einsätze ein wenig zu leiden hat und dort erstmal eine intensive Wartung ansteht. Ungewohnt ist die Geometrie, die mir sonst immer sogar angenehmer als die des Bulls vorkam. Der Hintern meldet sich aufgrund des ungewohnten Sattels bereits nach 35 Kilometern mit schmerzhaften Wundstellen und auch die Patellasehne des rechten Knieglenkes zickt ein wenig. Aber das ist auszuhalten. Zumal der weitere Wegverlauf doch reichlich entschädigt. Erst als die Lübecker Stadtgrenzen bereits passiert sind, wird es etwas haarig. Viele der zu überquerenden Brücken von Trave und Elbe-Lübeck Kanal sind gesprerrt und eine Umfahrung gestaltet sich aufwändig.

Oft laufen Stormanweg, Jakobsweg und andere Wanderwege auf identischen Strecken.


Marco und seine frisch angetraute Nicole versorgen mich fürsorglich mit Speis und Trank. Es ist gesellig und wir sappeln uns fest - es gibt ja auch reichlich zu erzählen! Und so trete ich, weit über eine Stunde später als geplant, die Heimreise auf selber Strecke an. Erfreulicherweise habe ich Rückenwind. Das macht den zweiten Teil der insgesamt 92 Kilometer langen Strecke angenehmer zu fahren. Trotzdem geht auf den letzten 20 Kilometern immer weniger. Ich bin platt und ausgelaugt. Dabei hatte ich ich bewusst darauf geachtet, ja kein zu hohes Tempo anzuschlagen, um nach hinten raus nicht einzubrechen. Und rein vom Gefühl war ich auch wirklich bummelig unterwegs. Das Garmin spricht da dann allerdings eine andere Sprache. Ein Schnitt in Bewegung von 19,3 Km/h ist, zumindest für mich, dann doch nicht so richtig langsam - nicht bei dieser Distanz. Insgesamt eine tolle Tour!

Wehrmutstropfen:
Das Rad nervte unterwegs mit einer stark rubbelnden Bremse, dessen Ursache - ein fester Bremskolben - zwar schnell gefunden, unterwegs aber nicht zu beheben ist. Nun stehen beide Pferde angeschlagen im Stall. Ich werde also am nächsten Sonntag Zeit und Geld aufwenden müssen, um sie wieder einsatzfähig zu machen. Ich sagte es bereits...Zeit und Bargeld hat man immer zu wenig!!!





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