Harveycom dominiert bei der Night on Bike 2019...

... und gewinnt das Rennen im 8ter-Team souverän.




Hamburg 15.7.19 - 8.00 Uhr - Race is over!
Er hat mich wieder, der Arbeitsalltag im Großstadtwahnsinn. Genervt hupende Autofahrer, die wild schimpfend ihre Mittelfinger um die Wette in die Luft strecken und sich, bei der Hetze um den schnellsten Weg ins miefende Büro, gegenseitig die Pest an den Hals wünschen.
Wie herrlich friedlich war dagegen die Sekundenjagd bei der Night on Bike in Radevormwald. Dieses idyllisch verschlafene Nest, das jedes Jahr einmal zum 24 Std Rennen aus seinem Dornröschenschlaf erwacht, um die Bezwinger des Schweinebergs zu feiern und zu küren.




Wie auch in den vergangenen Jahren hat Sven Schreiber alle Register gezogen, um ein Hammer Event auf die Beine zu stellen. In diesem Jahr hat er das Fahrerlager von der Schule an die "Alm" genannte Feiermeile verlegt und damit das Rennen aus meiner Sicht erneut aufgewertet.



Es gab an diesem Wochenende einige Sieger - Gewinner waren wir jedoch alle. Im Schatten der Ergebnislisten und Erstplatzierten stehen oft die kleinen Begebenheiten und Ereignisse, die ein Jeder erlebt und die ein solches Rennen zu einem unvergesslichen Event machen - Stoff, aus dem Radsportgeschichten geschrieben werden. Meine geht so:

Mit animalischen Lauten, die wohl einen Hahn imitieren sollen, aber eher die anästhesiefreie Zwangskastration eines Pavians vermuten lassen, reißt mich pünktlich um Fünf Uhr am Freitag die Weckfunktion des Handys aus dem sauer verdienten Schlaf, nur um mir mitzuteilen, dass mein Chef höflichst meine rechtzeitige Anwesenheit in der Folterkammer die er sich erdreistet Arbeitsstelle zu nennen, erbittet. Nicht das wir uns falsch verstehen - ich mag meinen Job. Ich mag sogar meinen Chef. Aber das man dafür extra aufstehen muss, ist dann doch zuviel des Guten.
Wie an jedem Morgen, stelle ich mir die zwei elementarsten Fragen des Lebens.
Erstens: Welcher Sadist programmiert eigentlich derart abartige Klingeltöne?
Zweitens: Warum habe ich nicht einen anderen Ton gewählt, diesen zum Beispiel? Zugegeben weniger effizient, aber deutlich angenehmer.

Ab 6 Uhr fahre ich quasi Non-stop Auto. Erst zur Arbeit, dann den Firmen-Lkw, später die fast 500 Km nach Rade. Um Mitternacht spuckt mich der Zeitraffer auf der Alm in Ispingrade aus. Der erste Marathon wäre also geschafft. Ein schnelles Feierabendbier in der feiernden Masse, dann will ich mich Teamkollegen Kris bei dem Versuch Schlaf zu finden, anschließen. Die Coverband United4 hält die Feierwütigen mit einem gelungenen Gig bis spät in die Nacht bei bester Laune, und mich damit wach.Während meines Schlummertrunks überlege ich kurzzeitig, ob mir nicht auch der Sinn nach Akoholexzess und hemmungsloser Kultsong-Mitgröhlerei steht. So wie früher in jungen Jahren, als man noch direkt vom Bierwagen zum Sport torkelte und trotzdem fit war... oder zumindest so aussah.

Die weibliche Dorfjugend, und auch die, die sich trotz fortgeschrittener Falten-und Zellulosebildung dafür halten, hat sich reichlich in Schale geworfen, was nicht in wenigen Fällen durchaus optisch ansprechende Reize setzt. Und die ein oder andere beschwippste Dame wirft mir eindeutig zweideutige Blicke zu - eine tanzt mich Bruchteile später sogar an. Alkohol macht augenscheinlich hemmungslos und ihren leicht unkoordinierten Bewegungen schlussfolgernd, dürfte sie inzwischen gänzlich enthemmt sein. Ich ahne Fürchterliches...
Ich habe ja tatsächlich ein wenig Ähnlichkeit mit John Travolta, tanze aber leider definitiv wie Balu der Bär. Ihr Tanzstil hingegen hat was von Lillifee. Ihr Schweben will aber nicht wirklich mit den körperlichen Proportionen von Biene Maja in Einklang geraten. Eiskalt lasse ich ihr Balzritual ins Leere laufen, schnappe mir mein Bier und flüchte zu Kris ins Teamzelt.



Nachdem, der Musik sei Dank, die Nacht auch ohne Biene Maja wenig Schlaf brachte, bin ich am Morgen leicht verstimmt. Inzwischen sind fast alle 30 Harveycoms eingetroffen. Die ersten absolvieren bereits eine Proberunde.
"Proberunde... pah, sowas brauch ich nicht. Ich fahr sowas doch auf einer Arschbacke.",denke ich mir, während ich mich mit wenig eleganten, aber routinierten Bewegungen in meine Trägerhose winde. "Ich bin doch ein kerniges Kerlchen. Ich hätte sie gestern Abend mit meiner strahlenden Jugend reihenweise haben kö..... Autsch, Aua, Argh".
Nix mit strahlender Jugend. Der Lack ist längst ab, wie mir der eingeklemmte Nerv im Rücken  schonungslos und ziemlich schmerzhaft mitteilt.
Nachdem ich 2014 mit Fingerbruch nach Sturz, und 2018 ebenfalls mit Rückenproblemen, vor der Strecke kapitulieren musste, will ich in diesem Jahr um jeden Preis finishen. Auch wenn mir derzeit Laute des Wehklagens entweichen, die selbst meinen Wecker in den Schatten stellen. In der Nacht dann wird es Eileen (Freundin von Teamkollege David) sein, die sich meiner erbarmt. Eigentlich trotz Prüfungsstress als Support für ihren Schatz mitgereist, löst die gelernte Physiotherapeutin die eingeklemmten Nerven und hält mich damit im Rennen. Vielen Dank Eileen, ohne dich wär nichts mehr gegangen.

Wie gewohnt sind wir Harveycoms beim Heimrennen stark und zahlenmäßig gut vertreten.
Beim 24 Std-Rennen haben wir zwei 8ter Teams, ein 6er, ein 4er und einen Solofahrer gemeldet.
Bei den 16 Stunden steht ein mit 3 Fahrern besetztes 4er Team am Start.

Während sich das Team 8.0 rund um Sven Beckers, dem Teamchef, der sportlich fortan ein wenig kürzer treten will, mit einem grandiosen Sieg für seine aufopferungsvolle Backround-Arbeit bedankt, können auch weitere Harveycoms gute Ergebnisse einfahren.

Ich fahre dieses Jahr im 6er neben Thomas, Nils, Marco, Kris und Arndt.
Kris geht pünktlich um 12 als erster auf die Strecke, macht zuvor aber seiner Saskia noch einen gelungenen Heiratsantrag, was wohl der Grund für seine zunächst sehr guten Rundenzeiten sein dürfte. Ab dem frühen Abend fahren wir allerdings nur noch zu Fünft. Das frisch verlobte Paar ereicht eine schreckliche Trauermeldung aus dem Familienkreis. Saskias Opa ist verstorben. Betretene Stille macht sich breit...
Schnell sind wir uns einig. Auch wenn Harveycom wie eine zweite Familie ist, soll Kris das Rennen vorerst unterbrechen und sich vorrangig um seine zukünftige Ehefrau kümmern.

Nils und Thomas brennen ein ums andere sehr schnelle Runden in den Parcour. Marco ist nicht weniger schnell, verliert wie gewohnt nur in der Nacht einige Minuten.
Arndt und ich bilden das Schlußlicht. Wobei ich mit meinen Rundenzeiten und insbesondere der Konstanz mit der ich sie fahre, voll und ganz zufrieden bin.
Zwei versemmelte Wechsel in der Nacht kosten uns beinahe 30 wertvolle Minuten. Auch das Fehlen von Kris macht sich in Erschöpfung der anderen bemerkbar. Als er gegen 3 Uhr am Morgen wieder dazustößt, kann er verständlicherweise aber nicht wieder an seine vorherigen Rundenzeiten anknüpfen.
Platz 10, den wir bis Einbruch der Nacht tapfer verteidigten, können wir nicht halten, werden bis auf 15 durchgereicht. Zeit für Arndt und mich, den gemütlichen Teil des Abends einzuläuten.
Mit dem Papa von Teamkollege Julian, der seinen Sohn stets zu den Rennen begleitet und eine echte Stimmungsgranate ist, gehen wir erstmal auf der Alm ein Bierchen trinken. Die Stimmung ist locker und ausgelassen, auch wenn ich fürchte, dass jederzeit mein Schwarm von letzter Nacht um die Ecke torkeln könnte...ein Heiratsantrag pro Rennen reicht nun wirklich aus! Vorsichtshalber halte ich mein Handy mit den Pavianlauten griffbereit - sicher ist sicher.

Nele Dönneweg begegne ich in der Wechselzone und komme kurz mit ihr ins Gespräch. Ließ sie mich in Aabenraa nur ihren Hinterreifen sehen, zeigt sie mir in Rade ihr umwerfendes Lächeln. Eine wirklich sehr sympathische Person. Allmählich mutiere ich zum Fan.
Auch Steffi Kethers und ihrem Mann Dennis, mit dem ich vor einigen Jahren in Duisburg fuhr und den ich seither auf fast jeder Veranstaltung antreffe, laufe ich mehrfach über den Weg. Leider bleibt wenig Zeit für einen Plausch. Stets hastet einer von uns zur Wechselzone oder von dort zurück..

Die letzte Runde des Rennens, so ist es beschlossen, soll Kris zu Ehren von Saskias Großvater fahren dürfen. Das will zeitlich aber nicht mit unserer Reihenfolge passen. Arndt oder ich - einer wird aussetzen müssen, damit Kris tatsächlich durch den Zielbogen fahren kann. Beide wären wir für Kris sofort bereit zu verzichten, das steht außer Frage. Er ist wie ein Bruder für uns. Doch Arndt sieht mir an, dass ich gerne noch eine achte Runde absolvieren würde. Daher verzichtet er und lässt erst mich und dann Kris auf die Strecke. Das ist echte Freundschaft ... das ist, was bei Harveycom gelebt wird.

Ich hab ein sensationell tolles Wochenende verbracht. Ich habe viele liebgewonnene Menschen wiedergetroffen, neue kennen und schätzen gelernt und viele schöne Erlebnisse auf und neben der Strecke gehabt. Dafür danke ich allen Beteiligten, Organisatoren, Freunden und Helfern, auch wenn es mir unmöglich ist, sie alle namentlich zu nennen.

Kommentare

  1. Sehr cool geschrieben, hat großen Spaß gemacht zu Lesen.
    Viele Grüße aus Team 8.1 - hoffe man trifft sich bei Gelegenheit mal wieder ;-)

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  2. Vielen Dank für das nette Feedback

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