Duisburg 24 h 2022 - finish or die



Duisburg, 6.August 2022

Das Rennen im Landschaftspark ist noch keine sieben Stunden alt, da ist es für uns im Grunde schon wieder vorbei. 
   Während unsere Harveycom-Fahrer im 8´ter Team fleißig Runde um Runde abspulen und unaufhaltsam, souverän und zielstrebig dem Sieg entgegenfahren, brauchen Arndt und ich uns um die Wertung der 2´er Teams keinerlei Gedanken mehr machen. Arndt fällt mit Hexenschuss aus. Mit schmerzverzerrtem Gesicht und gebücktem Gang humpelte er zum Fahrerlager zurück - nix geht mehr. Er könnte sich im Moment nicht mal mehr selbst am Hintern kratzen; schon deshalb nicht, weil er aus dem Stuhl in den er sich hat sinken lassen, ohne Hilfe kaum aufstehen kann. Das er in diesem Rennen auch nur noch eine einzige Runde fährt - undenkbar.

Von der Hexe flachgelegt: Arndt Weishaupt 
Hat Hexe und Wurstfinger: Kris Winter


Damit sind die Würfel gefallen: Für uns ist das Rennen gelaufen. Nachdem wir recht zügige Runden absolvieren und uns solide im Mittelfeld der Ergebnisliste positionieren konnten, ist die Enttäuschung groß. Auch, weil wir uns mit dem anderen Harveycom-Doppelpack, bestehend aus Gideon und Kris, ein teaminternes Duell hatten liefern wollen und ich mich mit Kris diesbezüglich schon seit Tagen gegenseitig geneckt und getriggert hatte. Aber aufgeben ist keine Option. Für mich ist es eine Frage der Ehre, dieses Rennen in Duisburg, bei dem ich 2011 erstmals 24 Std-Luft schnupperte, mit Anstand und Würde zu Ende zu fahren. Finish or die, but never give up!
   Außerdem ist vor dem Zelt hocken langweilig, obendrein allerschönstes Fahrradwetter, und ich war schließlich, wie rund 1200 andere Fahrer auch, primär zum biken und nicht zum zelten angereist. Also setze ich mich, während sich Arndt zum Sani schleppt, auf meinen Drahtesel und beginne die ersten Runden als "Quasi-Solofahrer" abzuspulen. Mit Michael und Marco fahren bereits zwei starke Solisten für Harveycom. Sven Hielscher (Team Nutrixxion) fährt ebenfalls in der Einzelwertung und wird wie gewohnt, als Kandidat für die Top 5 gehandelt - ich befinde mich auf der Strecke also in bester Gesellschaft und werde einfach mal schauen, wie gut ich mich werde verkaufen können.


Unfassbare 57  Runden: Sven Hielscher aka Mr. Machine

Solist Michael Krölls mit Tochter. 

Marco Mandel: Starke 18 Runden solo!


Erst gegen 19:30 erfahre ich dann, dass Gideon inzwischen auch seinen Teampartner aufgrund von Rückenprobleme eingebüßt und in den Solomodus gewechselt hat. Auch er zeigt wahre Größe und will das Rennen mit Anstand über die Runden bringen. Das angedachte Duell kann nun also unter anderen Bedingungen, aber wieder - zumindest beinahe - auf Augenhöhe stattfinden. Beinahe, weil Gideon es auf fast sechsmal mehr Jahrestrainingskilometer als ich bringt. Ich werde schon einen sehr guten Tag und eine gehörige Portion Glück brauchen, um wenigstens halbwegs mithalten zu können.


Fuhr ein sagenhaftes Rennen: Gideon Beschoner


Sieben Runden hatte ich bereits absolviert, bevor mich die Hiobsbotschaft vom Ausfall ereilte. Vier weitere lege ich bis ca. 20:30 Uhr nach. Anschließend gehe ich mit Arndt zu der etwas vollmundig als "Nudelparty" angekündigten Fahrerverpflegung. Party ist hier jedenfalls schon mal nicht. Generell ist auf und an der Strecke zu wenig los. Es fehlen im Vergleich zu den Vorjahren viele Teilnehmer, Aussteller und vor allen Dingen auch Zuschauer.
   Zu essen gibt es Nudeln, was freilich bei einer Nudelparty keine Überraschung darstellt. Nur was es dazu geben wird, will sich mir nicht so ganz erschließen; irgendeine Form von Soße wäre irgendwie ganz angebracht, wie ich finde. Auf dem Tisch steht eine große Schüssel mit einer dünnflüssigen, leicht milchig weißen Flüssigkeit, von der uns mitgeteilt wird, dass sie inzwischen kalt ist und die optisch ein wenig Ähnlichkeit mit fettigem Spülwasser hat. Das ist also nun die hochgelobte Verköstigung, von der Veranstalter Salscheider mir im Vorwege per Email vorgeschwärmt hatte? Er hatte mir freigestellt, meinen eigenen Caterer zu beauftragen - hätte ich wohl mal machen sollen, dann hätte seiner sein Handwerk vielleicht doch noch gelernt.
Ich bin in puncto Verzehrbarkeit - Genießbarkeit ist im Vorwege ausgeschlossen -  mehr als skeptisch, lange mit der Suppenkelle trotzdem in den Schweinetrog und gieße mir das Spülwasser über die Nudelpampe auf meinem Teller. Als ich am Tisch sitze, erkenne ich auf dem Teller von Arndt tatsächlich ein einzelnes Stück Kochschinken. Offenbar soll das Spülwasser wirklich an Schinken-Sahne-Sauce erinnern....oder war vor dem Abwasch möglicherweise sogar mal welche. Jetzt jedenfalls ist es Lotterie-Suppe: 1000 Mann langen in den Topf und einer fischt den Hauptgewinn raus - Herzlichen Glückwunsch, Arndt!


Auf den Parcours gehe ich, nachdem ich (nicht so ganz freiwillig) kalt geduscht habe, erst wieder um 23 Uhr. Aber so richtig rund will es nicht laufen. Die Waden beginnen zu krampfen. Das ist ärgerlich, denn die 7,7 Km sind super flowig zu fahren und machen richtig viel Spaß; besonders jetzt zum Abend hin, wo die Luft angenehm frisch und die Temperatur ein wenig gesunken ist.

Technisch ist der Kurs nicht sonderlich anspruchsvoll, was begrüßenswerter Weise auch Anfängern die Möglichkeit gibt, erste Erfahrungen im Rennzirkus zu sammeln. Wer es hingegen so richtig wissen will, legt die Kette nach rechts und bügelt die auf drei nennenswerte Anstiege verteilten 70 Höhenmeter im Wiegetritt platt. Fabian Wiemann prügelte den Monte Schlacko in unter 35 Sekunden hoch - unfassbar schnell! Alternativ kann man aber auch jemanden den Monte Schlacko hochschieben - das geht natürlich auch.





  
    
Die Abfahrt vom Schlacko ist, besonders bei Dunkelheit, nicht ohne. Sie ist schnell, sehr wellig und mit einer Mischung aus Geröll, Schotter und Gestein ein Garant für tiefe Schürfwunden. Michael muss leider diese schmerzhafte Erfahrung machen, als er dort am Abend stürzt. Er wird am Morgen das Rennen nach 24 absolvierten Runden aufgeben müssen. Gute Besserung, Micha - nächstes Jahr läuft´s wieder rund!



Das es in Duisburg immer wieder gefällt, die Teilnehmer oft schon seit Jahren hierher pilgern, liegt auch an der tollen Kulisse im Landschaftspark, die besonders im Dunkel der Nacht, mystisch auf den Betrachter wirkt. Die Hochöfen, Kräne und Schlackebunker des ehemaligen Stahlwerkes werden mit Einbruch der Dämmerung beleuchtet und so gekonnt und eindrucksvoll in Szene gesetzt.



Bis 00:30 Uhr fahre ich; absolviere meine 15. Runde, dann sind die Waden völlig dicht. Ich habe meinen Elektrolythaushalt sträflich vernachlässigt und bekomme nun die Quittung serviert. Obwohl ich ansonsten richtig gut drauf bin, mich fit und wach fühle, und richtig Bock auf die Strecke habe, muss ich pausieren und Gideon, mit dem ich bisher Kopf an Kopf lag, ziehen lassen. Ich informiere Arndt, der tapfer an der Strecke stehend, bis zu dieser späten Stunde durchgehalten und mich angefeuert hat und lege mich umgehend, mit hochgelagerten Beinen, in den Schlafsack.

hinten v.l.n.r. Arndt Weishaupt und Gideon Beschoner
vorne "zanken" sich Kris Winter und Oliver Heigl

Ich schlafe durch bis 06:00 Uhr. Arndt kümmert sich um das Leibliche: Käffchen und Frühstück werden liebevoll serviert und um ein Haar quatschen wir uns bei all der jugendlichen Zeltlager-Atmosphäre fest. Erst gegen halb Acht gehe ich wieder auf die Strecke.




Ich fühle mich merklich ausgeruht und frischer. Nur die Wadenprobleme bekomme ich einfach nicht wieder in den Griff. In den Anstiegen macht die Muskulatur sofort krampfartig zu. Dennoch kann ich weitere fünf Runden auf meinem Konto verbuchen, bevor ich es kurz vor zwölf Uhr in der letzten, der 21. Runde dann wirklich mehr als gemütlich angehen lassen will. In der treffe ich dann auf Sven Hielscher, den ich das ganze Rennen über nicht mal von hinten zu sehen bekam. Er sitzt relaxt und am ganzen Körper mit einer dicken Staubschicht überzogen, aber trotz der durchlittenen Strapazen von 57  Runden noch immer lächelnd, in einem Stuhl am Streckenrand und genießt die Sonne.
   Immer wenn ich ihn sehe, muss ich an den Terminator denken. Zwar mäht der Sven nicht reihenweise seine Gegner um - im Gegenteil, aber das berühmte Filmzitat "Ich bin ein kybernetischer Organismus; menschliches Gewebe über einem metallischen Endoskellet - ich bin eine Maschine", hat Regisseur James Cameron unter Garantie beim Sven Hielscher geklaut. Und so würde mich auch überhaupt nicht wundern, wenn er während des Rennens seiner ihn vom Streckenrand aus unterstützenden Freundin Jeannette bei jeder Runde im Vorbeifahren ein "Ich komme wieder" zurufen würde.

Darf sich zu Recht freuen: Sven Hielscher fuhr bärenstark den 2. Platz ein



Fazit: Tolles Wochenende mit ganz vielen lieben Menschen auf und an der Strecke.
Ein toller Parcours und unfassbar freundliche Helfer und Streckenposten.
Wehrmutstropfen bleiben die exorbitante Preisgestaltung, die seit Jahren bestehenden Probleme mit Essen und Sanitärtrakt, und neu dies Jahr: Das Verhalten der Veranstaltungsleitung.




HINWEIS: Ich bedanke mich für die mir überlassenen Fotos zur Verwendung auf diesem Blog.
Einige der hier verwendeten Bilder stammen direkt von den Fahrern des MTB-Team HARVEYCOM.it, - Danke, Jungs!
Viele prima Bilder hat mir aber auch der Tim Schumacher zur Verfügung gestellt. Tim ist Fotograf und hat in Duisburg etliche Bilder geschossen, die allesamt von hervorragender Qualität sind. Vielleicht hat er ja auch Dich vor der Linse gehabt? Die Bilder findest du hier.
Mich würde es persönlich sehr freuen, wenn auch Du meinem Beispiel folgen und Tim bei seiner Arbeit ein wenig unterstützen würdest. Ein Fünfer via Paypal an tim.schumacher1992@googlemail.com tut ja keinem weh, oder? 






Kommentare

  1. Ich liebe deine Art zu schreiben. Macht immer wieder sehr viel Spaß. Weiter so mein Freund.

    Dein Arndt 🥰

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    1. Vielen Dank für das liebe Feedback!

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